Pünktlich zum Tag der Deutschen Einheit ist heute gegen 8:00 Uhr Ortszeit der mittlerweile 17. Abschiebeflug seit Dezember 2016 nach Afghanistan in Kabul gelandet.
Die Boeing 767 der britischen Charterfluggesellschaft Titan Airways war am Vorabend in München gestartet. Nach Angaben der afghanischen Behörden befanden sich weniger als 20 abgeschobene Menschen an Bord.
Titan Airways mit Hauptsitz am Flughafen Stansted nördlich von London ist seit langem europaweit im „Deportation-Business“ tätig und hat u.a. bereits die letzten Sammelabschiebungen nach Afghanistan im Auftrag der schwarz-roten Bundesregierung durchgeführt.
Das UNHCR hatte zuletzt am 30. August 2018 in den aktualisierten Eligibility Guidelines für Afghanistan in aller Deutlichkeit formuliert, dass angesichts der katastrophalen humanitären Lage in ganz Afghanistan, und insbesondere in der von deutschen Behörden immer wieder als Wiederansiedlungsort für zwangsrückgeführte Geflüchtete angeführten Hauptstadt Kabul, keinesfalls Abschiebungen dorthin möglich sind.
Andere europäische Staaten wie Finnland hatten daraufhin umgehend beschlossen, keine Abschiebungen nach Afghanistan mehr durchzuführen.
Wie ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke erklärte, sieht sich die Bundesregierung dagegen nicht mehr an die Richtlinien des UNHCR gebunden und stuft diese Richtlinien mittlerweile nur noch als unverbindliche „Empfehlungen“ ein – in völliger Mißachtung nicht nur internationaler Menschenrechtsnormen, sondern ebenso geltenden nationalen Rechts:
So regelt beispielsweise §3e AsylG die Kriterien, die vor einer Abschiebung in ein bestimmtes Herkunftsland geprüft werden müssen (insb. individuelle Prüfung, ob dort für den jeweiligen Betroffenen Schutz vor Verfolgung besteht, und eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass er dort aufgenommen wird und sich niederlassen kann, gegeben ist). §3e (2) AsylG führt weiter explizit aus:
Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge [sic!] oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
Bereits aus der Formulierung „sind…einzuholen“ ergibt sich eigentlich, dass es sich nicht um eine „Kann-Bestimmung“ handelt, die von den Abschiebebehörden nach Gutdünken ignoriert werden kann. Das UNHCR wird sogar explizit im Gesetzestext als relevante Quelle genannt („des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge“).
Bereits im Mai 2018 war die CDU/CSU- und SPD-geführte Bundesregierung von ihrer bisherigen Argumentation abgerückt, lediglich „Straftäter, Gefährder und Identitätsverweigerer“ nach Afghanistan abzuschieben. Bereits bei den letzten seither durchgeführten Sammelabschiebungen befanden sich auch Geflüchtete unter den Abgeschobenen, die nach internationalem Recht einem besonders gefährdeten Personenkreis angehören und keinesfalls hätten abgeschoben werden dürfen.
Weitere Infos u.a. bei Pro Asyl:
Abschiebung nach Afghanistan: Unrecht wird nicht zu Recht, indem man es immer wiederholt