Von einem Tübinger Mitglied des Gambia-Helfernetzes, das zufällig Zeuge bei der Ankunft der Abgeschobenen am Flughafen Banjul/Gambia war, erreicht uns der folgende erschütternde Bericht:
Das Flugzeug mit den Abgeschobenen kam um 15.20 Uhr in Banjul an. Abflug von Frankfurt/Main, offenbar eine dänische Fluggesellschaft.
Am Haupteingang vor dem Flughafengebäude hatten sich Freunde, Angehörige und Journalisten versammelt, um die Abgeschobenen in Empfang zu nehmen. Die Wartenden versuchten, die Flughafenangestellten zu befragen, was drinnen vor sich geht. Die Leute wurden von der Security weggeschickt. Trotzdem drangen Informationen nach draußen, die dann weiter verbreitet wurden.
So erfuhr man, dass das Immigration Office sich weigerte, die Abgeschobenen einreisen zu lassen, weil sie keine gambischen Pässe hatten. Es gab eineinhalb Stunden lang Diskussionen zwischen den verschiedenen Akteuren. Der Pilot sagte, dann nehme er die Passagiere wieder mit nach Deutschland, wenn sie nicht einreisen dürfen. Die ganzen Debatten fanden im Flugzeug statt.
Es gab dann offenbar einen Anruf (mutmaßlich von deutscher Seite) bei der Regierung Barrow, wohl nicht beim Präsidenten persönlich, sondern bei einem Minister, der dann die Immigration-Behörden anwies, die Abgeschobenen einreisen zu lassen. Das Gerücht ging um, dass die deutschen Beamten den gambischen Immigration Officers Geld gegeben hätten, damit sie die Menschen einreisen lassen. Die Abgeschobenen weigerten sich auszusteigen und wurden von den deutschen Begleitpersonen (unklar, ob Bundespolizei oder privater Sicherheitsdienst) aus dem Flugzeug gedrängt.
Die Flughafenleitung hatte registrierte, dass viele Leute auf dem Flughafengelände auf die Abgeschobenen warteten. Die Abgeschobenen wurden deshalb am Seiteneingang hinausgeführt. Normalerweise ist dies der Waren-Ausgang. Diese Information sickerte durch, und die Wartenden bewegten sich Richtung Seiteneingang.
Unter einem Mango-Baum, nahe des Seiteneingangs, wurden die Papiere der Abgeschobenen von den Immigration Officers gecheckt. Freunde, Angehörige und Journalisten hatten den Platz entdeckt und wollen hinzukommen. Die Flüchtlinge wollten mit ihren Angehörigen und den Journalisten reden und winkten ihnen, näher zu kommen. Doch dies wurde nicht erlaubt.
Die Wartenden hatten das Gefühl, dass sie von den Behörden ausgetrickst werden sollten. Die Flüchtlinge sollten aus dem Flughafen-Gelände rausgeschmuggelt werden, ohne dass jemand etwas mitkriegt, wurde vermutet.
Ca. vier Stunden nach der Ankunft wurden die Abgeschobenen beim Mango-Baum auf drei Pick-Ups geladen inklusive ihres Gepäcks, sofern sie welches dabei hatten. Manche hatte nur eine Plastiktüte mit ihren Papieren dabei. Sie wurden zum Flughafen-Ausgang gefahren. Es sind drei Kilometer vom Flughafen-Gebäude und dem Ausgang an der Hauptstraße. Dort mussten sie aussteigen, jeder bekam ein bisschen Geld, 200 oder 400 Dalasis, 3,50 € bzw. 7 €. Zu wenig Geld für diejenigen, die aus dem Landesinneren stammen und einige 100 Kilometer Fahrt in ihre Dörfer haben.
Im Flugzeug hatte jeder Flüchtling drei Begleiter, wahrscheinlich Polizisten, um sich herum. Alle Flüchtlinge waren an den Händen gefesselt während des Flugs, wurde berichtet.
Es war niemand da von der gambischen Regierung, um die Flüchtlinge am Flughafen in Empfang zu nehmen. Weder von der für die (nach eigener Darstellung) Reintegration der Abgeschobenen offiziell zuständigen UN-Organisation IOM noch von sonstigen NGOs war jemand vor Ort.
Von den 20 Abgeschobenen sind möglicherweise vier oder fünf keine Gambier. Ihre Namen lassen auf den Senegal schließen. Es waren keine Frauen unter den Abgeschobenen. Manche wurden von Freunden oder Angehörigen abgeholt. Viele jammerten und schimpften, sie wüssten nicht, wohin sie jetzt gehen sollten. Manche waren total durcheinander. Einer war aggressiv und ging auf einen Journalisten los.
Die Abgeschobenen denken, dass sie „verkauft“ werden, dass sie eine Ware sind: Die deutsche Regierung gebe der gambischen Regierung Geld, um die Flüchtlinge zurückzunehmen. Die ganze Wut richtet sich gegen die demokratische Regierung von Barrow. Unter dem Diktator Jammeh habe es keine Abschiebungen gegeben. Schuld an den Abschiebung ist in ihre Augen die gambische Regierung.
Drei Einzelinterviews
Person A
- Aus Konstanz, im zweiten Ausbildungsjahr als Maler
- Keine Ausbildungsduldung, nach eigenen Angaben Aufenthaltsgestattung mit Arbeitserlaubnis (unklar, da bei Aufenthaltsgestattung eigentlich keine Abschiebung möglich ist.)
- Auf dem Weg zur Berufsschule von der Polizei mitgenommen worden
- Er stand bei 30 Grad in der Abenddämmerung auf dem Flughafen-Gelände und trug noch seinen Winter-Anorak, mit dem er am Morgen in Konstanz aus dem Haus gegangen war.
Person B
- War im Abschiebegefängnis in Pforzheim
- Hatte bei seiner Verhaftung versucht, sich umzubringen mit zahllosen Messerschnitten, wurde im Krankenhaus lediglich notfallmäßig versorgt und kam dann ins Abschiebegefängnis
- Wurde mit nicht verheilten Wunden, nicht gezogenen Fäden und Prellungen abgeschoben
- Duldung mit Arbeitsverbot und reduzierten Leistungen (151 € / Monat), hat davor als Maler gearbeitet (keine Ausbildung / Berufsschule)
- Keine Straftaten
- Vater eines zwei Monate alten Säuglings in Deutschland: „Ich möchte mein Kind sehen. Hier in Gambia gibt es keine Zukunft für mich.“
Person C
- War wohl im Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg (Die Berichterstatterin hatte zunächst „Stuttgart– Hasbach“ verstanden), wurde dort um 5.00 Uhr morgens von der Polizei abgeholt und nach Frankfurt gebracht
- War im Krankenhaus wegen Suizidgefahr eingeliefert worden, zuvor im Gefängnis gesessen wegen Verstoß gegen das BtMG
- „Ich will mit der Regierung sprechen. Sie müssen diese Abschiebungen stoppen!“