Keine Abschiebung von Sandrine M.! Kundgebung am 19.09. um 17 Uhr / Holzmarkt, TÜ

Pressemitteilung des Frauenverbands Courage e.V. Tübingen/Reutlingen

Mit Empörung und Entsetzen haben wir erfahren, dass unsere Freundin Sandrine M.
auf Anordnung des dem Bundesinnenminister Seehofer unterstehenden Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge am 29. September nach Italien abgeschoben werden
soll. Wegen der sogenannten Dublin III – Verordnung wurde ihr Asylantrag wegen
Unzulässigkeit nicht geprüft.

Sandrine M. ist 2017 aus Kamerun geflohen und lebt seit etwas mehr als 2 Monate in Tübingen in einer Flüchtlingsunterkunft. Sandrine M. ist zum einen aus geschlechtsspezifischen Gründen geflohen zum anderen vor dem im Nordwesten Kameruns herrschenden Bürgerkrieg.

Sandrine ist Opfer einer Zwangsheirat mit einem wesentlich älteren Mann. Sie
entkam dieser Zwangsehe und lebte mit ihrem Lebensgefährten und ihren Kindern
zusammen. Aufgrund der Zwangsehe konnte sie nicht offiziell heiraten. Ihr
Lebensgefährte wurde Opfer des Bürgerkriegs. Sie selbst konnte bei dem Überfall
mit ihrer Tochter fliehen. Die Familie ihres Mannes gab ihr die Schuld an seinem Tod
und drohte, sie zu ermorden. Ebenso bedroht sie die Familie des ersten Mannes mit
dem Tod. Um zu überleben, musste sie fliehen. Auf der Flucht war sie in Libyen im
Gefängnis massiver Gewalt und Vergewaltigung ausgesetzt. Bei der Überfahrt nach
Italien sah sie andere Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken. In Italien wurde ihr keine
Hilfe gegeben und sie auf die Strasse gesetzt. Im Kampf ums Überleben floh sie
weiter nach Deutschland.

Sandrine M. ist durch ihre Erlebnisse schwer traumatisiert und braucht dringend
einen sicheren Ort und psychotherapeutische und psychiatrische Hilfe. Nichts davon
ist in Italien gegeben. Seit den neuen Gesetzen vom 1.12. 2018 gibt es keine
Garantie für Hilfe, Unterkunft und Therapie für Flüchtlinge. Daher empfiehlt z.B. die
Schweizer Flüchtlingshilfe (11. Januar 2019) keine – besonders keine verletzlichen –
Personen nach Italien abzuschieben.

Wir fordern: Sandrine muss in Tübingen bleiben!
Tübingen muss seinen Ruf, besonders frauenspezifische Fluchtgründe zu achten,
wahr machen und ihr einen sicheren Platz bieten!
Kommt zur Solidaritätskundgebung am 19. September um 17.00 Uhr auf dem
Holzmarkt in Tübingen.

Hintergrundinfo Kamerun

Kaum jemand in Deutschland weiß, dass in Kamerung ein erbitterte Bürgerkrieg herrscht, ein Erbe des Kolonialismus. Nach einem langjährigen Befreiungskampf erlangten 1960
die ehemals französischen und englischen Kolonien die Unabhängigkeit und die
Republik Kamerun wurde gegründet.

Aufgrund andauernder Repression und Benachteiligung durch die diktatorische Regierung entwickelten sich Unabhängigkeitsbestrebungen der englischsprachigen Minderheit für ein freies Ambazonien in den nordwestlichen und südwestlichen Regionen, die blutig durch die Regierung unterdrückt werden. Mit Unterstützung Frankreichs, der USA und auch der deutschen Regierung werden Oppositionelle liquidiert, gefoltert und eingesperrt,
Dörfer überfallen und niedergebrannt, Frauen vergewaltigt und mit ihren Kindern
erschossen.

Siehe auch: https://www.spiegel.de/politik/ausland/kamerun-zwischen-boko-haram-und-buergerkrieg-david-miliband-im-interview-a-1279200.html