Protestaktion gegen Abschiebungen am 26.4. in Tübingen

Anlässlich der 23. Sammelabschiebung nach Afghanistan protestierten am 26. April ca. 40 Personen in Tübingen erneut gegen die derzeitige Abschiebepolitik. Andreas Linder kritisierte in seinem Redebeitrag die Fortsetzung der Sammelabschiebungen nach Afghanistan. Mit solchen Abschiebungen werde nicht der Rechtsstaat durchgesetzt, wie Innenminister Seehofer und andere behaupten, sondern das Recht auf Leben aufs Spiel gesetzt. Jaqueline Andres (IMI) verwies auf die kontraproduktive Rolle von Bundesregierung und Bundeswehr im fortwährenden Krieg in Afghanistan und kritisierte das geplante Seehofersche „Geordnete Rückkehr“-Gesetz. Gerlinde Strasdeit (Linke) berichtete, dass der Tübinger Oberbürgermeister einen interfraktionellen Antrag im Gemeinde zur Erklärung von Tübingen als „Sicherer Hafen“ mit der Begründung verschleppe, dass für die Stadtverwaltung eine Zustimmung nur unter Verweis auf EU-Beschlüsse zur Migrationsabwehr denkbar sei. Eine Entscheidung zu diesem Antrag fällt am 2. Mai im Tübinger Gemeinderat.

Redebeitrag Andreas Linder:

Redebeitrag zur Protestaktion gegen Abschiebungen, 26.4.2019, Tübingen, Karlstrasse

Habt ihr was gemerkt? Das Thema Flüchtlingspolitik verschwindet zunehmend von der Agenda der Regierenden und aus den Schlagzeilen der Medien. Interessanterweise passiert das zu einer Zeit, in der die EU schamloser denn je mit afrikanischen Despoten und der sog. Küstenwache von Libyen paktiert, um Flüchtlinge statt Fluchtursachen zu bekämpfen. Damit es möglichst wenig Flüchtlinge nach Europa und nach Deutschland schaffen, soll das Sterbenlassen im Mittelmeer und der Wüste weitergehen. Interessanterweise passiert das zu einer Zeit, in der Obergrenzenminister Seehofer das übelste aller bisher dagewesenen Abschiebungsgesetze verabschieden will. Es mag vielleicht gut sein, wenn in Wahlkampfzeiten andere Themen im Vordergrund stehen. Wir werden uns aber dafür stark machen, dass die Kritik an der gegenwärtigen Flüchtlingspolitik nicht verstummt. Und dabei werden wir uns nicht damit zufrieden geben, dass alle ein bisschen gegen die AfD sind und sonst ist alles paletti.

Gestern fand die 23. Sammelabschiebung der Bundesregierung nach Afghanistan statt. Wieder wurden 30 Personen in dieses von Krieg, Terror und humanitärem Elend gebeutelte Land abgeschoben. Damit wurden seit Beginn dieser Sammelabschiebungen im Dezember 2016 bisher über 550 Menschen nach Afghanistan abgeschoben. Und für diese Abschiebungen scheut unsere Regierung auch keine Kosten. Gegen diesen Abschiebewahnsinn, den auch die SPD weiter mitmacht, wehren wir uns und setzen uns für das Bleiberecht aller afghanischer Flüchtlinge ein.

Unser grüner Oberbürgermeister Boris Palmer, der insbesondere zum Thema Flüchtlinge die Anti-Flüchtlingsstimmung in der Bevölkerung angeheizt hat, hat vor, ein neues Buch zu schreiben. Das Credo dieses Buches lautet offenbar: Fakten statt Stimmungen. Wir sind gespannt, was für neue Fakten Herr Palmer auf Lager hat! Zu Afghanistan liegen die Fakten schon lange komplett auf dem Tisch. Unsere Bundesregierung, allen voran Obergrenzenminister Seehofer, will diese Fakten aber komplett ignorieren. Wider besseren Wissens sollen weiter Abschiebungen auch nach Afghanistan durchgezogen werden. Begründet wird das zynischerweise auch noch damit, dass der Rechtsstaat durchgesetzt werden müsse. Abschiebungen = Rechtsstaat, das hört sich für mich nach George Orwell an. Abschiebungen in Krieg, Terror und humanitäres Elend sind Menschenrechtsverletzungen, sie sind ein Spiel mit dem Recht auf Leben.

Ich werde jetzt hier die Fakten zu Afghanistan und zum Schutzbedarf von Afghanischen Flüchtlingen nicht im Einzelnen vortragen. Hierzu sei Herrn Seehofer und anderen einfach mal die Lektüre der Richtlinien des UNHCR zum internationalen Schutzbedarf afghanischer Asylsuchender vom August 2018 empfohlen.
Die erste flüchtlingspolitische Nebelkerze, die Horst Seehofer im Krisensommer 2018 losgelassen hat, war ja der angebliche Skandal um die BAMF-Außenstelle in Bremen, wo das BAMF angeblich massenhaft zu Unrecht Asylanerkennungen für jesidische Flüchtlinge aus dem Irak zugesprochen hat. Im Nachhinein hat sich ja herausgestellt, dass an den Vorwürfen schlicht nichts dran war. Der eigentliche BAMF-Skandal ist nach wie vor, dass über die Hälfte aller Asylsuchenden aus Afghanistan vom BAMF abgelehnt werden und diese Menschen mit Abschiebung bedroht werden. Die meisten afghanischen Flüchtlinge müssen sich, so auch sehr viele hier aus dem Kreis Tübingen, mühselig über die Gerichte und hohe Anwaltskosten ihr Bleiberecht erkämpfen. Aber die meisten sind dabei erfolgreich. Im Jahr 2018 haben die Verwaltungsgerichte über 61 Prozent der Asylentscheidungen des BAMF zurückgenommen und Anerkennungen für die afghanischen Geflüchteten zugesprochen. Der eigentliche BAMF-Skandal ist also, dass nach wie vor massenhaft Ablehnungen mit zum Teil an den Haaren herbeigezogenen Begründungen ausgesprochen werden, obwohl die Betroffenen einen eindeutigen Schutzbedarf haben. Und warum ist das so? Es ist wegen der negativen Stimmung in der Bevölkerung gegen Flüchtlinge. Eine Stimmung, die nicht von der AfD erzeugt wurde, sondern von denen, die dieses unser Land regieren.

Wir werden uns weiterhin zusammen mit vielen anderen Menschen in Deutschland dafür einsetzen, dass niemand nach Afghanistan abgeschoben wird.

[nbsp]

Aufruf:

Aus mehreren aktuellen Anlässen ruft das Bündnis Bleiberecht auf zu einer spontanen
Protestaktion am Do, 25.4., 19 Uhr, Karlstraße Tübingen / Zinserdreieck
Themen: Aktuelle Abschiebungen nach Afghanistan, Gambia und in andere Länder, Seehofer-Gesetz, Palmers Liste...

[nbsp][nbsp][nbsp] Am morgigen 24. April soll die 23. Sammelabschiebung nach Afghanistan stattfinden. Gegen diesen Abschiebewahnsinn in ein von Krieg und Chaos seit Jahrzehnten geprägtes Land wehren wir uns gemeinsam mit den Betroffenen. Wir setzen uns für das Bleiberecht aller afghanischen Flüchtlinge ein!
[nbsp][nbsp][nbsp] Die im Frühjahr begonnenen Sammelabschiebungen nach Gambia wurden aus „diplomatischen Gründen“ vorübergehend ausgesetzt. Aber Strobl und Co wollen massenhaft weiter nach Gambia abschieben, wo die Hälfte der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze leben muss und noch längst nicht die Voraussetzungen im sozialen System und in der Sicherheit der Bevölkerung vorhanden sind, um massenhaft „Rückkehrer“ aufnehmen zu können. Und der Tübinger Kreistag bildet sich ein, dass man die hier lebenden Gambier mit einem Praktikum für die sogenannte „freiwillige Ausreise“ fit machen könne und erhebt einen solchen „goldenen Rausschmiss“ von Menschen zum humanitären Erfolg. Wir setzen uns dafür ein, dass sich auch Geflüchtete, deren Asylantrag abgelehnt wurde, durch humanitäre Duldung und ein langfristiges Bleiberecht menschenwürdige Perspektiven hier bei uns aufbauen können!
[nbsp][nbsp][nbsp] Der deutsche Obergrenzenminister Seehofer verabschiedet derweil das übelste aller bisher dagewesenen Abschiebungs- und Integrationsverhinderungsgesetze, mit dem nicht nur die Bleibe- und Integrationsmöglichkeiten auch für seit längerem hier lebende Geflüchtete auf ein Minimum dezimiert werden sollen, sondern mit dem nun auch Menschen und Organisationen, die sich teils seit vielen Jahren für gute und menschliche Integrationsbedingungen in Deutschland einsetzen, kriminalisiert werden sollen. Wir wehren uns dagegen, dass die menschenrechtsverachtende Gleichung „mehr Abschiebungen“ = „mehr Rechtsstaat“ noch weiter im öffentlichen Bewusstsein zementiert wird und fordern Solidarität statt noch mehr Repression und Deportationen!
[nbsp][nbsp][nbsp] Boris Palmer hat unterdessen weiterhin nichts anderes im Sinn als unter dem Deckmäntelchen der Sicherheit seiner städtischen MitarbeiterInnen möglichst viele Geflüchtete als „auffällig“ zu brandmarken, damit er bei der nächstbesten Talkshow wieder erzählen kann, wie viele potentielle Gewalttäter es unter den Geflüchteten gibt und dass man jetzt endlich mal hart durchgreifen und die Leute in Sonderlager stecken muss. In Sonntagsreden wird dann wieder über Integration geschwafelt. Wir werden es nicht hinnehmen, dass Palmer die Anschlussunterkunft in der Europastraße, in der es laut Gesetz um Integration gehen sollte, zu einem kommunalen Brennpunkt- und Abschiebelager macht!
[nbsp][nbsp][nbsp] Damit es möglichst wenig Flüchtlinge nach Europa und nach Deutschland schaffen soll das Sterbenlassen auf dem Mittelmeer und in der Wüste weitergehen. Statt Fluchtursachen zu bekämpfen paktiert die EU schamloser denn je mit afrikanischen Despoten und der sogenannten libyschen Küstenwache, die sich hautpsächlich aus aktiven Konfliktparteien in dem nun wieder aufgeflammten, von EU und NATO mit entfachten Bürgerkrieg in Libyen rekrutiert. Wir fordern PolitikerInnen aller Parteien und auf allen Ebenen auf, sich dafür einzusetzen, dass die Seenotrettung auf diesen Fluchtrouten umgehend, und mit ausschließlichem Fokus auf die Wahrung der Menschenrechte der Schiffbrüchigen, wieder aufgenommen wird! Auf der kommunalen Ebene fordern wir, dass die Stadt Tübingen sich endlich per Gemeinderatsbeschluss zu einem sicheren Hafen für aus Seenot gerettete Geflüchtete erklärt (wie es zuletzt unsere Nachbarstadt Reutlingen und viele andere Kommunen in Deutschland bereits vorgemacht haben) und dieses Thema endlich ganz nach oben auf die Agenda setzt!

Kommt alle und bringt Eure eigenen Ideen, Plakate, Transpis usw. zu unserer gemeinsamen Protestaktion mit!