Isolationshaft, Folter, Mißhandlung, Entrechtung – massive Kritik des Europarates an deutscher Abschiebepraxis

In einem gestern veröffentlichten Bericht hat das Anti-Folter-Komittee des Europäischen Rates ( massive Kritik an der Abschiebepraxis der Bundesrepublik Deutschland geübt.

Dieser aktuelle, trotz seiner ausgesucht diplomatischen Ausdrucksweise erschreckende Bericht benennt zahlreiche Missstände und Verstöße deutscher Abschiebebehörden gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und gegen die humanitären Standards des CPT bezüglich der Durchführung von Abschiebehaft (in der aktuellen Fassung, die auch deutschen Behörden seit 2017 vorliegt) und übt teils massive Kritik an der polizeilichen Praxis bei Abschiebeflügen.

So sei bei den von CPT besuchten Abschiebehaftanstalten faktisch bereits jetzt in wesentlichen Aspekten kein Unterschied zum normalen Strafvollzug mehr erkennbar; u.a. würden die Abschiebehäftlinge gezwungen, Anstaltskleidung statt ihrer eigenen Kleidung zu tragen, hätten keinen ausreichenden Zugang zu der ihnen zustehenden Rechtsberatung, zu unabhängiger medizinischer und psychologischer Unterstützung und zu Sprachmittler*innen. Auch Kontakte zu Angehörigen und Freunden im Vorfeld einer Abschiebung würden teils systematisch verunmöglicht.

Selbst elementare Rechte wie ausreichende und regelmäßige Freigänge außerhalb des geschlossenen Zellentrakts würden Abschiebehäftlingen teils systematisch verwehrt, einzelne Personen würden teilweise wochenlang in Isolationshaft gehalten. Während ihrer laufenden Abschiebemaßnahme würde den Betroffenen teils einen ganzen Tag lang Nahrung und Wasser vorenthalten.

Neben zahlreicher derartiger systemischer Mängel in der bundesdeutschen Abschiebepraxis benennt CPT auch exemplarische Fälle von brutalen Misshandlungen und Polizeigewalt vor und während laufender Abschiebemaßnahmen:

So berichten Beobachter*innen des CPT, die bei einem Abschiebeflug nach Afghanistan im August 2018 mit an Bord waren, dass ein in Panik geratener Abschiebehäftling, der bereits am ganzen Körper mit Klebeband bewegunsunfähig gefesselt war, vor dem Start von 6 Polizisten mit großer Brutalität fixiert, dann zunächst von einem Beamten minutenlang von hinten gewürgt wurde:

Der CPT ist der Auffassung, dass bei jeglicher Anwendung von Gewalt verhindert werden muss, dass bei der betroffenen Person ein Erstickungsgefühl entsteht. Wie aus den einschlägigen internen Anweisungen der Bundespolizei hervorgeht, dürfen begleitende Beamte keine Kontrolltechniken anwenden, bei der die Atemfähigkeit einer Person eingeschränkt wird

Der so bereits über eine Viertelstunde lang Misshandelte wurde dann im weiteren Verlauf von einem auf ihm knienden Beamten über einen längeren Zeitraum hinweg mehrmals mit großer Kraft im Genitalbereich gequetscht. CPT dazu:

Eine Person durch Drücken der Genitalien zu misshandeln, was eindeutig darauf abzielt, durch Zufügung starker Schmerzen kooperatives Verhalten zu erreichen, ist unverhältnismäßig und unangemessen. Dies umso mehr, als die Person von sechs Begleitbeamten fixiert wurde.

Der CPT empfiehlt, dass die deutschen Behörden sofort Maßnahmen ergreifen, um die Anwendung dieser beiden Techniken durch begleitende Beamte der Bundespolizei zu unterbinden.

Kritisiert wird seitens des CPT auch, dass die Begleitmannschaften, welche die Abschiebeflüge durchführen, entgegen der eigenen Richtlinien von Bundespolizei und Frontex teilweise aus nicht ausreichend humanitär und psychologisch geschulten Beamten bestehen.

Anmerkung: Bei der Bundespolizei gibt es also offenbar nach wie vor nicht genügend derartig ausgebildete Beamte, die sich freiwillig für die Beteiligung an Abschiebeflügen melden. Laut CPT werden die Begleitmannschaften bei Abschiebeflügen deshalb mittlerweile u.a. mit Beamten aus Reihen der Beweissicherungs- und Festnahme-Einheiten (BFE) und USKs aufgefüllt – Polizeieinheiten, die nicht auf eine entsprechende Sensibilisierung in Abschiebesituationen geschult sind und die bereits in anderen Zusammenhängen durch oftmals extrem unverhältnismäßiges und brutales Vorgehen gegen Zivilpersonen auffällig geworden sind.

Aus dem Bericht geht ebenfalls hervor, dass das CPT die Bundesregierung in vielen Punkten bereits zum wiederholten Mal auf die dort benannten Verstöße gegen die Anti-Folter-Richtlinien des Europäischen Rats hinweist und erneut zur Beseitigung dieser Missstände aufruft.

In einer ebenfalls gestern veröffentlichten Stellungnahme des Bundesjustizministeriums werden zwar viele der Vorwürfe des CPT unumwunden eingeräumt, in vielen der von CPT beanstandeten Punkte (auch zu oben beschriebenen Misshandlungen) besteht die Reaktion des Ministeriums jedoch lediglich darin, die „Empfehlungen“ des CPT zur Kenntnis zu nehmen und an die beteiligten Dienststellen weiter zu leiten.

In einem ebenfalls gestern veröffentlichten Bericht hatten die Vereinten Nationen dem deutschen Nachbarstaat Österreich gleichermaßen massive Verletzungen von internationalen Menschenrechtsstandards im Asylbereich attestiert.

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