„shut down deportations“: Protestaktion gegen Abschiebungen nach Afghanistan

Bei einer Protestaktion demonstrierten am Abend des 16. Dezember etwa 40 Geflüchtete aus Afghanistan sowie deren Unterstützer*innen auf der Tübinger Neckarbrücke gegen Abschiebungen nach Afghanistan. Das Bündnis Bleiberecht Tübingen hatte spontan zu dieser Aktion aufgerufen, nachdem bekannt wurde, dass die Bundesregierung trotz Corona-Lockdown an der geplanten „Sammelabschiebung“ nach Afghanistan festhielt.

Die Protestierenden forderten, dass niemand in Krisen- und Kriegsgebiete abgeschoben werden solle, erst recht nicht während der Corona-Pandemie, die gerade in Afghanistan die von Krieg, Terror und humanitärem Elend geprägte Situation nochmals extrem verschärft hat. Mit dem Abschiebeflieger, der um 3.00 Uhr nachts in Kabul gelandet ist, wurden nach ersten Berichten 30 Personen abgeschoben. Vorgesehen waren über 40, wie am Tag davor auf Deutsche Welle berichtet wurde. In zwei Fällen konnte in Baden-Württemberg die Abschiebung noch kurzfristig gerichtlich abgewendet werden.

Bereits am 16. November protestierten in Tübingen etwa 50 Personen unter dem Motto „not safe, not human“ gegen die Wiederaufnahme der Sammelabschiebungen nach Afghanistan mitten im Corona-Lockdown. Von Experten wird vermutet, dass die Zustimmung der Regierung dieses total kaputten Landes zu neuen „Rückübernahmeabkommen“ und der Wiederaufnahme der Sammelabschiebungen mit einer Entwicklungshilfe-Geberkonferenz am 23./24.11.2020 in Genf zu tun hat. Dort wurde die Weiterführung von Entwicklungshilfe bis 2024 im Abschlusskommuniqué an die „Bekämpfung der illegalen Migration“ geknüpft. In Deutschland wird, wie Pro Asyl berichtet, im Asylverfahren weiterhin in tendenziell rechtswidriger Weise mit Asylsuchenden aus Afghanistan umgegangen. Auf eine parlamentarische Anfrage der Linken teilte die Bundesregierung mit, dass Verwaltungsgerichte in den ersten neun Monaten dieses Jahres 5.644 ablehnende Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge aufgehoben haben und den Betroffenen Schutz gewährt haben. 59 % der gerichtlich inhaltlich überprüften BAMF-Bescheide erwiesen sich damit als rechtswidrig.

Afghanische Geflüchtete, die Unterstützung im Asylverfahren oder nach Ablehnung ihres Asylantrags brauchen, können sich im Kreis Tübingen an Plan.B oder andere Beratungsstellen wie das Asylzentrum Tübingen / coffee to stay wenden.

Geberkonferenz in Genf am 23. und 24. November zusammenhängt. Dort wurde Afghanistan die Weiterfinanzierung der Entwicklungshilfe bis 2024 zugesagt und in der Abschlusskommuniqué die »Bekämpfung irregulärer Migration« beschlossen.
Geberkonferenz in Genf am 23. und 24. November zusammenhängt. Dort wurde Afghanistan die Weiterfinanzierung der Entwicklungshilfe bis 2024 zugesagt und in der Abschlusskommuniqué die »Bekämpfung irregulärer Migration« beschlossen.

Bündnis Bleiberecht Tübingen / move on Dez. 2020): Infoflyer „not safe not human – keine Abschiebungen nach Afghanistan“ (PDF)

 

Weitere aktuelle (Hintergrund-)Informationen:

– Thomas Ruttig (17.12.2020): Afghanistan-Abschiebeflug Nr. 34 aus Deutschland eingetroffen

– Deutsche Welle (16.12.2020) Abschiebung nach Afghanistan trotz Corona.

– Die Tageszeitung (15.12.2020) Zurück nach Afghanistan: Abschiebungen sollen beginnen. Am Mittwoch soll der erste Abschiebeflug seit März nach Afghanistan starten – trotz globaler Pandemie und desaströser Sicherheitslage im Land.

– Tagesschau (16.12.2020): Afghanistan: Abschiebung in die Gefahr

– Die Tageszeitung (15.12.2020: Drohende Abschiebung nach Afghanistan: Kritik an Berlins Innensenator. Erneut soll am ein Mann aus Berlin nach Afghanistan abgeschoben werden. Flüchtlingsrat und Sozialdemokrat*innen fordern einen Abschiebestopp dorthin.

– Pro Asyl (13.12.2020): Erster Sammelabschiebeflug nach Kabul seit März 2020 steht bevor. Abschiebungen in lebensgefährliche Zustände

– Thomas Ruttig (15.12.2020): Zur bevorstehenden 34. deutschen Sammelabschiebung: Ein Gedicht über die Flucht aus Afghanistan (mit Weihnachtsgeschenk-Tipp)

PRO ASYL 02.10.2020 Afghanistan: Abschiebepläne der EU für das gefährlichste Land der Welt

Thomas Ruttig (2.11.2020): Überfall auf Universität Kabul (aktualisiert)/ Schwere Kämpfe im Süden, Kundus und Badachschan

Thomas Ruttig (3.11.2020): Trotz Corona: Neue Afghanistan-Abschiebung geplant – und was Hilfszusagen damit zu tun haben könnten

Die tageszeitung (www.taz.de 10.11.2020): Mit Schutzmaske abschieben. Die Bundesregierung plant erneut Abschiebungen nach Afghanistan – trotz steigender Coronazahlen und defizitärem Gesundheitssystem.

PRO ASYL 11.11.2020 Mitten in der Pandemie: Drohende Wiederaufnahme von Abschiebungen nach Afghanistan

UNHCR (08 / 2018): UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender

move on – menschen.rechte Tübingen e.V.: Informationen für afghanische Flüchtlinge und ihre Unterstützer*innen: Wie können Sie eine Tazkira oder einen Pass beantragen? (PDF) – aktualisierte Fassung Sept. 2020